Insolvenzanfechtung

Rechtsunsicherheit und unliebsame Überraschungen durch Insolvenzanfechtung

Die Insolvenzanfechtung war eingeführt worden, um Ungerechtigkeiten und Manipulationen der Schuldner zu Gunsten einzelner Gläubiger zu verhindern. Sie bewirkte jedoch Rechtsunsicherheit und empfundene Ungerechtigkeiten.

Schon länger hat sich die Wirtschaft für eine Reform der Insolvenzanfechtung stark gemacht. Hintergrund ist, dass zu viele Unternehmen von den als ausufernd und ungerecht empfundenen Auswirkungen der Insolvenzanfechtungen betroffen waren. Nunmehr wurde das Insolvenzanfechtungsrecht überarbeitet.

Theoretisch haben Insolvenzanfechtungen das Ziel, Gerechtigkeit unter den Gläubigern eines insolventen Unternehmens herbeizuführen. Kein Gläubiger soll – z.B. weil er einen Wissensvorsprung hat – Zahlungen komplett für sich sichern können, die in einem Insolvenzverfahren grundsätzlich allen Gläubigern zu gleichen Anteilen zu stehen. Verhält sich also im Einzelfall ein Gläubiger eigennützig, so soll der Insolvenzverwalter mithilfe des Anfechtungsrechtes die der Gläubigergerechtigkeit zuwider geflossenen Leistungen in die Insolvenzmasse zurückholen können.

Die Insolvenzanfechtung war durch den Gesetzgeber als Ausnahme gedacht. In der Praxis ist sie jedoch zur Regel geworden. Dies hat jahrelang für ungeklärte Rechtsverhältnisse gesorgt. Durch die Interpretation der Rechtsprechung war die Latte für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung und die Kenntnis bzw. vermuteter Kenntnis hiervon sehr niedrig. Dies erleichterte es den Insolvenzverwaltern auf diese Weise die Insolvenzmasse zu mehren. Der Job der Insolvenzverwalter ist es, die Insolvenzmasse zu mehren, soweit es geht. Dies liegt aber auch in ihrem eigenen persönlichen Interesse. Je höher die Insolvenzmasse, desto höher ihr Honorar. In Extremfällen führt dies dazu, und dies auch nicht sehr selten, dass durch Insolvenzanfechtungen gesunde Unternehmen selbst Insolvenz anmelden mussten.

Hat z.B. ein florierendes Unternehmen über Jahre ein anderes Unternehmen, welches am Ende Insolvenz anmelden musste, beliefert, und erhielt dafür im Gegenzug Zahlungen, so führte die Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter dazu, dass das Unternehmen aufgefordert wurde, sämtliche erhaltenen Zahlungen, rückwirkend sogar bis zu 10 Jahren, zur Insolvenzmasse zu zahlen. Begründet wurde diese Rückforderung damit, dass durch die vereinnahmten Zahlungen andere Gläubiger benachteiligt worden sind. Viele Unternehmen, von denen die Zahlungen durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert worden sind, wussten nichts von der drohenden Insolvenz ihres Geschäftspartners. Durch die Rechtsprechung wurde das Wissen von einer drohenden Insolvenz jedoch bereits dann unterstellt, wenn die Zahlungen nur schleppend erfolgten, erst nach Mahnung oder eingeräumten Zahlungserleichterungen. Auch wenn die Firma über Jahre für ordentlich erbrachte Leistungen Geld ehrlich verdient hatte, so musste sie dieses Geld wieder zurück in die Insolvenzmasse des notleidenden Geschäftspartners zahlen. Die gelieferte Ware wurde aber nicht zurück gewährt.

Mit der im Jahr 2017 durchgeführten Reform der Insolvenzanfechtung soll nunmehr das Vertrauen für die Gewährung von Lieferantenkrediten wiederhergestellt werden.

Das alte Insolvenzanfechtungsrecht war ein leichtes Spiel für die Insolvenzverwalter. Es gab noch weitere Einzelprobleme, die das Risiko für die Geschäftspartner schwer einschätzbar machten. Es betraf jedoch nicht nur die Geschäftspartner, sondern auch die Arbeitnehmer. Diese befanden sich im Ungewissen, sofern das Arbeitsentgelt verspätet gezahlt wurde.

Auf die geforderte und angefochtene Zahlung durch den Insolvenzverwalter fielen nach alter Rechtslage nicht erst mit Anforderung Verzugszinsen an, sondern bereits schon früher. Schlichtes Zuwarten des Insolvenzverwalters führte nach der alten Rechtslage dazu, dass die Zinsforderungen massiv in die Höhe getrieben worden. Durch die Reform sollen Anfechtungen in Wirtschaftskreisen kalkulierbarer und interessengerechter gestaltet werden.

Am 5.4.2017 trat das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz in Kraft. Es wird auf alle Insolvenzverfahren angewendet, welche ab dem 5.4.2017 eröffnet wurden oder werden.

Die wichtigsten Änderungen wurden vorgenommen in folgenden Bereichen

  • Gläubigerbenachteiligung, § 133 InsO,
  • Bargeschäftsprivileg, § 142 InsO sowie
  • Verzinsung des Anfechtungsanspruchs, § 143 InsO.

Die maximale Anfechtungsfrist ist auf 4 Jahre verkürzt worden. Hier muss noch mal darauf hingewiesen werden, dass dies nicht nur eine Änderung der Insolvenzordnung, sondern auch des Anfechtungsgesetzes beinhaltet hat.

Die maximale Anfechtungsfrist von ursprünglich 10 Jahren wurde auf 4 Jahre verkürzt für den Fall, einer so genannten Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen, § 133 Abs. 2 InsO, vorliegt. Bei einer solchen Zahlung leistet der spätere Insolvenzschuldner vorsätzlich an einen bestimmten Gläubiger, um alle anderen Gläubiger zu benachteiligen. Diese Änderung gilt sowohl für die kongruente als auch für die inkongruente Deckungshandlungen.

Bei der kongruenten Deckungshandlung kann der Gläubiger genau den Betrag auch zu dieser Zeit, in welcher er gezahlt wird, verlangen. Das heißt die Forderung ist auch fällig. Bei der inkongruenten Deckungshandlung erhält der Gläubiger eine andere als die zu beanspruchende Handlung. Dies kann daran liegen, dass die Zahlung vor Fälligkeit geleistet wird, dass eine Sicherheitsleistung statt einer Zahlung erfolgt oder dass eine Leistung erfüllungshalber erfolgt.

In allen anderen Fällen, d.h. bei allen sonstigen Rechtshandlungen, verbleibt es unverändert bei der 10-jährigen Anfechtungsfrist, § 133 Abs. 1 InsO. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Vermögensverschiebungen und nachteilige Vereinbarungen zulasten der Insolvenzmasse auch lange vor einer tatsächlichen Unternehmenskrise anfechtbar sind und bleiben. Das Anfechtungsrecht betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch die Insolvenz von natürlichen Personen.

Hinzu kommt, dass neben der verkürzten Anfechtungsfrist auch eine abgeschwächte Vermutungsregel bei einer kongruenter Deckung nach § 133 Abs. 3 InsO nunmehr gilt. Musste der Insolvenzverwalter bisher lediglich beweisen, dass der Anfechtungsgegner von der drohenden Zahlungsunfähigkeit wusste, so muss er nach der Reform die Kenntnis von der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit beim Anfechtungsgegner beweisen. Erst wenn dieser Beweis vorliegt, wird der Schluss gezogen, dass der Gläubiger gewillt war, seine Mitgläubiger zu übervorteilen und erst dann kann die Forderung angefochten werden.

Verlagerung der Beweislast bei Zahlungsvereinbarungen auf den Insolvenzverwalter

Mit der Reform wurde einer der größten Stolpersteine für die Gläubiger aus dem Weg geräumt. Wurde früher vermutet, dass der Gläubiger bei Zahlungserleichterungen, z.B. der Vereinbarung von Ratenzahlungen, von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, so wird jetzt genau das Gegenteil vermutet. Wird also dem späteren insolventen Geschäftspartner Zahlungserleichterung eingeräumt, so weiß der Gläubiger nichts von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, § 133 Abs. 3 S. 2 InsO. Nur dann, wenn später weitere Umstände hinzukommen, die darauf hinweisen, dass dem Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war, kann eine Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter gerechtfertigt sein.

Vorher bargen die in der Praxis völlig üblichen Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen zwischen den Geschäftspartnern die Gefahr, dass dem Gläubiger die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit unterstellt wurde. Auch wenn die Zahlungserleichterungen zielführend waren, sie führten nämlich dazu, dass die Rechnungen beglichen worden. Problematisch war nach dem alten Recht für die Gläubiger, dass Jahre später, wenn der Schuldner dann tatsächlich in die Insolvenz ging, der Gläubiger vom Insolvenzverwalter mit den Anfechtungen überzogen wurde. Dies soll durch die Reform nicht mehr möglich sein. Eine Anfechtung hat nicht mehr zu befürchten, wer als Gläubiger aus seiner Perspektive darauf vertrauen darf, dass der Liquiditätsengpass des Geschäftspartners nur ein vorübergehender ist und er diesen mit der Zahlungserleichterung seinerseits abhilft.

Bargeschäft

Bargeschäfte liegen dann vor, wenn Leistung und Gegenleistung unmittelbar ausgetauscht werden. Der Bundesgerichtshof sah dieses Merkmal per se erfüllt, wenn der Austausch innerhalb von 30 Tagen erfolgte. Durch die Änderung in § 142 Abs. 2 S. 1 InsO gibt es nun eine Differenzierung. Ein Bargeschäft liegt damit nunmehr nur noch dann vor, wenn sich die Unmittelbarkeit nach der Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs bestimmt. Die ursprünglich geltenden 30 Tage sind nur noch ein grober Orientierungspunkt. Am Ende wird die Rechtsprechung festlegen müssen, was nunmehr unter einem Bargeschäft zu verstehen ist.

Bisher konnten Bargeschäft unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden, dabei handelt es sich um den § 142 Insolvenzordnung alter Fassung. Durch die Reform sind Bargeschäfte grundsätzlich von einer Vorsatzanfechtung ausgenommen. Auch bei den Zinsen kam es zu einer Entschärfung. Eine Anfechtung ist nunmehr ausnahmsweise nur noch dann möglich, wenn der Schuldner unlauter handelt und der Empfänger der Leistungen dies erkannt hat. Das Bewusstsein des Schuldners allein, dass er nicht alle Gläubiger befriedigen kann, reicht hierfür nicht aus, um ein Geschäft als unlauter zu deklarieren. Vielmehr muss der Schuldner deutlich beabsichtigt haben, andere Gläubiger zu schädigen. Z.B. in dem er Geld für Luxusgüter ausgibt, die keinerlei Nutzen für seine Gläubiger haben oder indem er Betriebsmittel verschachert hat, die nötig gewesen wären, das Unternehmen fortzuführen.

Arbeitsentgelt

Mehr Rechtssicherheit herrscht seit der Reform für Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hatte ursprünglich seine Rechtsprechung am Schutz der Arbeitnehmer ausgerichtet. Für laufenden Lohn ist die Rechtsprechung auch noch aktuell. Wird im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens rückständiger Lohn oder Lohnerhöhung geltend gemacht, so hat das Bundesarbeitsgericht sich mittlerweile der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angeschlossen. Der § 142 Abs. 2 S. 2 InsO in seiner neuen Fassung gibt jedoch für die Arbeitnehmer Sicherheit insoweit, als das Arbeitsentgelt, das innerhalb von 3 Monaten nach erbrachter Leistung gezahlt wird, als Bargeschäft gilt und damit privilegiert ist und in der Regel vor einer Insolvenzanfechtung sicher ist.

Zum Arbeitsentgelt zählen sämtliche laufende oder einmalige Zahlungen aus dem Arbeitsverhältnis. Z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld.

Verzinsung

Vor der Reform fielen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bereits ab Verfahrenseröffnung an. Unabhängig davon, ob der Anfechtungsgegner im Verzug mit der Zahlung war oder nicht. Natürlich führte dies dazu, dass die Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch so spät wie möglich geltend gemacht haben. Damit wurde auch der Zinsanspruch in die Höhe getrieben. Da der Gläubiger nicht gemahnt werden musste und trotzdem ab Verfahrenseröffnung die Zinsen zahlen musste, passierte dies quasi stehle und heimlich. Wurde die Anfechtung erst spät erklärt, d.h. nach mehreren Jahren, so konnte die Zinsforderung erheblich sein. In einigen Fällen übertraf sie dann sogar die Hauptforderung.

Mit dem neuen §§ 143 InsO wird diesem Treiben ein Riegel vorgeschoben. Nur noch unter den Voraussetzungen des Schuldnerverzuges oder des § 291 BGB, d.h. Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit, keine Zinsen geltend gemacht werden. Dies führt dazu, dass der Anspruch fällig sein muss und der Gläubiger muss vom Insolvenzverwalter gemahnt werden, damit Zinsen anfallen, weil sich der Gläubiger in Verzug befindet.

Darüber hinaus können Zinsen auch nicht mehr als gezogene oder schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen herausverlangt werden.

Das besondere für die neue Verzinsungsregelung ist, dass diese für alle Insolvenzverfahren ab dem 5.4.2017 gilt. Dies unabhängig davon, ob die Anträge bereits gestellt worden sind, die Verfahren eröffnet sind oder eröffnet waren.

Es hat sich zudem noch etwas weiteres geändert. Hat ein Gläubiger wegen fehlender Zahlung einen Insolvenzantrag gestellt und der Schuldner die Zahlung beglichen, so konnte der Schuldner bisher weiter wirtschaften. Es Schuldner wieder in Verzug war der Gläubiger einen erneuten Antrag gestellt hatte, in das Insolvenzverfahren nicht mehr davon ab, ob der Schuldner in der Lage war die Zahlungen an den Gläubiger zu leisten oder nicht. D.h. 2. Insolvenzantrag lief weiter. Dies hat sich jedoch mit der Reform geändert. Bereits beim 1. Antrag über dem Schuldner nunmehr Einhalt geboten.

Unverändert hoch bleiben die Anforderungen an den Insolvenzeröffnungsantrag. Nichts hat sich an den notwendigen Nachweisen des rechtlichen Interesses und der Tatsache, dass der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden muss, geändert. Der Nachweis des rechtlichen Interesses liegt dann vor, wenn künftig laufend Forderungen durch den Schuldner nicht bedient werden Beziehung weiter anfallen. Der Eröffnungsgrund liegt vor, wenn die überwiegend wahrscheinliche Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft gemacht werden kann.

Gleichwohl gibt es Kritik an der Reform. Die Umkehrung der Beweislast, dass der Insolvenzverwalter dem Gläubiger die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nachweisen muss, stellt die Rechtsprechung vor große Herausforderungen. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes läuft konträr zu dieser Umkehr der Beweislast.

Der Klärung durch die Rechtsprechung bedarf es noch, weil der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet hat, wie zum Beispiel Unlauterkeit und Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs. Die Verwendung dieser Begriffe lässt die nötige Klarheit vermissen. Was diese Begriffe bedeuten, muss die Rechtsprechung bringen.

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